2 mal grüsst das Murmeltier & die Faszination des Nichtwissens
geschrieben von Johannes (25. Mai 2009)

Wir beginnen unser drittes Reisedrittel mit Denksport und ich bitte daher um volle Konzentration beim lesen. - Genau richtig für einen Montag Vormittag! ;-)

Also: In Neuseeland am 2.Mai abends abgeflogen, sind wir gute zehn Stunden später, ebenfalls am 2. Mai aber schon mittags wieder gut und sicher in Santiago de Chile gelandet. Noch immer oder schon wieder der selbe Tag? Ich habe die Flugzeit genützt mir vier ganze Filme anzusehen und nicht eine Minute geschlafen. Unterdessen haben wir die Datumsgrenze nach Osten überquert, was in der Praxis bedeutet, von unserer aktuellen Zeit 24 Stunden abzuziehen und damit den 2. Mai 2009 ein zweites Mal zu haben. Eigentlich dauerte er genau nur 40 Stunden für uns. Also doch nicht ganz zwei Tage, aber immerhin je zwei Sonnenauf- und -untergänge am selben Datum. Irgendwie Murmeltier. - Verwirrt, oder alles klar?

Anders erklärt waren es 16 Stunden Zeitverschiebung mit, bzw. acht Stunden und ein Tag weniger gegen die Sonne, zur kompletten Verwirrung. Das Zeitsparbuch rechnet es so: seit unserer Abreise von Wien Richtung Osten haben wir uns täglich ein paar Minuten, in Summe ganze 18 Stunden zusammen gespart. Auf dem Flug nach Südamerika haben wir 24 Stunden auf einmal ausgegeben und die sechs Stunden die wir jetzt im Minus sind, zahlen wir minutenweise bis zur Landung in Wien wieder zurück.

Bildlich gesprochen stiegen bisher also 18 Leute in einen Bus und 24 in Santiago wieder aus, womit an den kommenden Stationen sechs wieder einsteigen müssen, dass der Bus in Wien leer ankommt. (der Busfahrer kann in dieser Rechnung quasi als die einzelne Stunde der Sommer-/Winterzeitverschiebung unberücksichtigt bleiben)

Auf was man nicht alles kommt, wenn der Tag (sooo) lang ist.   ;-)

Den Jetlag konnten wir diesmal ganz einfach überlisten. Da wir Santiago beide schon kennen, nützten wir die Tage statt Sightseeing einfach zum Schlafen nach Bedarf und genossen gemütlich die Zeit mit meinem Bruder Bernhard der hier lebt und den ich daher auch nicht so oft sehe. Dazu das eine und das andere Gläschen Wein oder Pisco oder, oder, oder so … und schon sind wir ausgeschlafen für die Osterinsel.

Eine kleine Insel mitten im Pazifik über 2000 Kilometer weit von der nächsten Insel Polynesiens und 3700 Kilometer vom südamerikanischen Festland entfernt. Sehr klein irgendwo im Nirgendwo, aber jeder kennt sie und ihre misteriösen Steinfiguren. Allein aufgrund der Lage kommt man nicht so einfach schnell einmal dorthin,aber für uns liegen die zweimal fast fünf Stunden Flug und jeweils 3800 Kilometer hin und retour Umweg quasi am Weg, dass wir die Gelegenheit nützen fünf Tage vorbei zu schauen. Durch einen Tipp eines ebenfalls weltreisenden Pärchens die wir in Neuseeland trafen konnten wir ein Hostal reservieren, das für die dortigen Preise mehr als in Ordnung ist. Sehr sauber, sehr freundlich, sehr hilfsbereit und dazu gutes Englisch. Wer den Kontakt braucht bitte sich einfach zu melden. Den ersten Tag nützten wir für einen kleinen Rundgang durch Hanga Roa die Inselhauptstadt - das einzige Dorf hier überhaupt. Sehr einfach, sehr klein. Am Nachmittag fuhren wir hinauf auf den Vulkan Rano Kau mit den Resten des zeremoniellen Dorfes Orongo das es dort unbewohnt zu besichtigen gibt. Zurück marschierten wir erst den Krater und dann die Küste entlang und genossen die ersten Eindrücke. Die ersten Steinfiguren, die sogenannten Moais die auf ihren Altären (Ahus) stehen, besuchten wir dann abends zu Sonnenuntergang. Tags darauf machten wir eine geführte Tour mit Patrizio dem Schwiedersohn der Hostalmutter Maria in seinem Uralt VW-Bus. Gute acht Stunden ging es mit ihm um die Insel und er ließ uns mit seinen Erklärungen und vielen gezeigten Details an den wichtigsten archäologischen Stätten in die Faszination dieser einzigartigen Kultur von Rapa Nui eintauchen. Ich erspare mir hier alles wieder zu geben und bleibe selbst nur oberflächlich. Die berühmten Steinfiguren, von denen es um die 900 (!!!) gibt wurden vermutlich im Laufe eines Konfliktes der auf der Insel ausbrach umgeworfen. Im Laufe der Jahrhunderte verwitterten sie vor sich hin und manche wurden bereits liegend bei dem grossen Tsunami 1960 noch weiter in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt vier Plätze auf der Insel wo sie so weit wie möglich restauriert und wieder aufgestellt wurden. Der beeindruckendste ist Ahu Tongariki wo in vierjähriger Arbeit (1992-1996) 15 Moais wieder auf ihren Ahu gestellt wurden. Gesponsert wurde dieses Projekt von einer japanischen Kranfirma, die sich damit ihre Publicity archäologisch wertvoll wirklich verdiente. Da bereits bei der Entdeckung der Insel durch die christliche Seefahrt im 18. Jh. ein relativ hoher Grad der Zerstörung vorlag ist leicht vorzustellen, was für einen Dienst die darauf folgende Zeit der Missionierung, des Sklavenhandels, der Verwaltung durch die chilenische Marine und deren Verpachtung and ausländische Firmen die Viehzucht und Landwirtschaft im grossen Stil betrieben, für die verbliebenen Ureinwohner und die archäologischen Stätten geleistet hat. Nicht zu vergessen die Plünderung von privaten Sammlern und im Namen der Wissenschaft. Mit dem Einzug des Tourismus in den letzten vier Jahrzehnten hat sich das zum Glück geändert. Patrizio zeigte uns verschiedenste Plätze mit den unterschiedlichsten Zuständen und erklärte auch immer die diversen wissenschaftlichen Theorien dahinter. Ein sehr spezieller Platz ist Rano Raraku, der Steinbruch an einem Vulkankegel wo alle Moais aus dem Felsen gehauen wurden. Viele stehen dort fertig herum, einige liegen, manche mit Schäden, manche erst frisch begonnen, manche fast fertig noch im Felsen. Es macht den Anschein, als ob man hier von einem Augenblick zum nächsten alle Arbeiten eingestellt hätte und nie wieder weitergemacht hat. Der Grund für diesen plötzlichen “Produktionsstop” dürfte der bereits erwähnte Konflikt im 17. Jh. gewesen sein. Dieser “Steinbruch” ist eigentlich ein Vulkan in dessen Krater ein Süsswassersee mit schwimmenden Grasinseln liegt und an dessen Innenseite ebenfalls Moais aus dem Stein gehauen wurden. Ein besonders beeindruckender Ort mit speziell mystischer Ausstrahlung. Durch Patrizios private Führung hatten wir die Zeit und Ruhe ein wenig stehen zu bleiben, zu sitzen, zu fotografieren und Stimmung aufzusaugen. Am weiteren Weg sahen wir noch einige Petroglyphen (Gravuren im Fels) und den sogenannten “Nabel der Welt”, einen runden Stein mit magnetischer Wirkung und energetischer Ausstrahlung die man auch tatsächlich spürt - wenn man wie wir weiss, dass man es spüren muss.

Um unsere Reifenstatistik weiterzuführen hatten wir genau hier einen Platten und mit Murphys Hilfe auch einen Reservereifen ohne Luft. Die Metamorphose des Nabels zum A…. der Welt war damit ganz einfach vollbracht. Diverse Reserveräder vorbeikommender Autos hatten nicht die passende Dimension und so kamen wir erst mit dem Pickup eines Insulaners nach Hause. Den ungesehenen Rest des Sehenswerten besuchten wir an einem weiteren Tag mit einem ausgeborgten Quad, das vorallem die besonders schlechten Wege dazwischen zum Vergnügen werden liessen. Sogar Katharina hat das vierrädrige viertelliter Moped ausprobiert und ihren Spass daran gehabt. Erst am Heimweg dämpfte uns ein ordentlicher Regenguss, der sich schon den ganzen Tag ankündigte den Fahrspass. Im Hostal angekommen fühlten wir uns wie nach einer Fahrt in einem Cabrio-U-Boot. Am Sonntag unserem letzten Inseltag besuchten wir die auf spanisch gelesene Messe, die von Liedern in der Inselsprache begleitet wurde. Ein friedlich, fröhlicher Gottesdienst mit Südseestimmung.

Die Osterinsel ist für uns - zumindest für diesmal - Geschichte. Zugegebenermaßen habe ich mir das Leben und die “Entwicklung” auf der Osterinsel schon etwas weiter vorgestellt, aber trotz der Bekanntheit und der hohen Besucherfrequenz (40.000 pro Jahr) ist es nicht so entwickelt wie ich dachte. Die meisten Häuser scheinen sehr einfach im Sinne von “selbst gezimmert”, die Strassen sind auch nicht wirklich gemacht, bei der offiziellen Info wird eher schlecht als recht Englisch gesprochen und die Infos die man dort bekommt sind sehr spärlich. Die sogenannten Supermärkte sind einfache kleine Läden mit schmalem Sortiment und alles vergleichsweise teuer, was wieder verständlich ist, weil die Insel 3700 Kilometer vom Festland entfernt ist. Dafür wird im Dorf die Sonntagsruhe eingehalten als ob es keinen Tourismus gäbe: das Museum schliesst bereits mittags und Geschäfte haben bis auf ganz wenige kleine Souvenirläden auch geschlossen. Auto- und Mopedverleihs gibts erst wieder am Montag, selbst geöffnete Restaurants sind spärlich. Dafür wird begeistert Fussball gespielt. Wer gegen wen war mir nicht klar da es ausser Hanga Roa nichts gibt, dafür läuft der Schiedsrichter mit Flip Flops über den Platz. Die 5000 Einwohner leben so gut wie alle in Hanga Roa selbst womit auf den Fotos auch nie irgendwelche Häuser im Weg stehen. Ich bin gespannt wie sich das dort in den nächsten 10-20 Jahren verändern wird.

Wie wahrscheinlich für die meisten die jemals hier waren, ist und bleibt das faszinierendste die Geschichte der Osterinsel bevor sie im 18 Jahrhundert entdeckt wurde. Die Einzigartigkeit und das Spektrum des historischen und archäologischen Erbes das hier zu finden ist gibt der Wissenschaft bis heute Fragen auf, die möglicherweise oder eher sehr wahrscheinlich nie beantwortet werden können. Alle Wissenschafter die ihre eigenen Theorien und Antworten haben und diese auch profund begründen und zum Teil belegen können, haben nachwievor nicht genug in der Hand um ihren Kollegen mit anderen Meinungen das Gegenteil beweisen zu können.

Es ist und bleibt schön, beeindruckend, faszinierend und unbeantwortet wenn man so zwischen den grösstenteils ruinierten und verwitterten, aber auch an den teils restaurierten und wiederaufgestellten Moais vorbeimarschiert. Vielleicht auch genau weil es keine Antworten gibt.

zu den Fotos


Kommentare:
8 Kommentare zu "2 mal grüsst das Murmeltier & die Faszination des Nichtwissens"
ORR-stein am 25. Mai 2009 um 08:27

Danke HaLo
für Deine feinsinnigen Rätsel,
die Du für Montag morgen erdacht hast.
Besonders die Geschichte mit dem Bus
nach Wien, durfte ja nicht fehlen.
Nachdem Ihr dieses Abenteuer ja am
02.Mai begonnen habt, freute ich mich
auf Deinen Beitrag vom 10.Mai, der
allerdings noch keinen Hinweis auf
die abenteuerliche “Zeitreise” nach
Südamerika erkennen ließ.

Nun mir geht es bereits besser, kann
schon mit nur einer Krücke gehen.
Wird schon.
Gerti sehr häufig in Türnitz, als
Ihre Mutter erst Freitag wieder aus
dem Spital heimgeschickt wurde.
Magenoperation- Karzinom.
Bei uns ist/wird es schon sommerlich,
bis 30°, danach Gewitter - heftige -
versteht sich.

Gruß u. Bussis
ORR


Dieter am 25. Mai 2009 um 10:02

Wau - die Osterinseln habts auch noch mitgenommen, das war sponton eingeplant ?
In Wien gibt´s net viel Neues, außer dem grandiosen ACDC Konzert von gestern Abend - 1. Reihe !! mir trönt
heute noch der Schädel,…;-)
Wünsche Euch einen wundervollen Start in Euer letztes 1/3 !
Dieter


Vanessa am 25. Mai 2009 um 11:52

Jööööö, danke für das Lachen gleich am Montag morgen. Da wäre ich gern mal Busfahrer mit Minuspassagieren;-) Versuch ich mir gleich mal vorzustellen und das den ganzen Tag, weil mir ist grad unendlich langweilig (abgesehen von Eurem Bericht natürlich). Naja, Montag halt und draussen ist Sommerwetter.
Toll, dass ihr die Insel “in the middle of nowhere” auch auf Eurem Plan habt. Viel Spaß beim letzten Drittel.
Alles Liebe…


urwanisch¨s am 25. Mai 2009 um 17:04

Gottseidank haben wir den Zeitsprung ja selber miterlebt, denn sonst waeren wir hier dann doch aus allen Bussen verwirrt ausgestiegen. Aber so koennen wir nur sagen, gut dass wir rechtzeitig gespart haben… :-)


Markus am 25. Mai 2009 um 19:24

Mega………


d am 25. Mai 2009 um 22:16

UNGLAUBLICH!Sitze da jetzt völlig fasziniert vor dem Kastl, die Bilder mir gerade eben angeschaut habend … es ist wahrscheinlich wirklich ein Teil der Mystik, dass das zu kleine, “große” menschliche Forscherhirn NIX nachweisen oder behaupten kann.Das “Göttliche”, oder wie immer die Worte gewählt werden wollen, kann mit Demut begriffen, besser noch empfunden, gefühlt werden… diese Plätze sind sicher überwältigend! … ~
Johannes, zu deiner Rechnerei (Angeber! In soooo vielen Stunden lässt´s sich leicht rechnen!)eben der Schluss: in 80 Tagen um die Welt!
+beim Weinverkosten(mhhhh)ein Gedanke an mich ;-)!
Viele Bussis aus dem SOMMERLICHEN, heißen Wien ;-) Samstag ist Taufe!!
Denke an euch,d


veronika am 25. Mai 2009 um 19:47

Hei Katharina!! na, Quad fahren ist echt s….genial!!! :-) Freu mich schon sehr auf eure suedamerikaberichte, falls ihr in den sueden von chile fahrt und was braucht, Philipp und ich helfen euch gerne weiter! Aber wie ich euch kenn, habt ihr eh schon alle s unterkontrolle…

Gruesst den Bjoernsn schoen!
Dickes Bussi und gute weiterreise waehrend ich in rom dahinschmeltze…
Bussi


NETTI & TORSTEN am 25. Mai 2009 um 20:05

HALLO IHT ZWEI SÜSSEN MURMELTIERE …

WAS SOLL MAN DAZU SAGEN , LIEBER JO … WENN DER TAG SOOOOO LANG IST KOMMT MAN EBEN AUF ALL SO TOLLE GEDANKEN …
SCHÖN VIEL WEIN MIT DEM BUSFAHRER GETRUNKEN DER EH ZU WENIG FAHRGÄSTE HATTE UND UND UND ! WEITERHIN SO ÜBERRAGENDE MOMENTE WÜNSCHEN EUCH ANNETTE UND TORSTEN

HABT IHR EIGENTLICH MAL WIEDER ARS…… GESPIELT ??? NEIN !!!

NA DANN WIRDS ZEIT , DAS WIR UNS BALD MAL WIEDERSEHEN !!! FREUEN UNS AUF EUCH !!!


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